Symposium Phytotherapie
Österr. Gesellschaft f. Phytotherapie, gemeinsam mit der Wiener internationalen Akademie für
Ganzheitsmedizin
Pharmaziezentrum d. Univ.Wien, 10. und 11. November 2006
Die Veranstalter, ÖGPhyt und GAMED, haben sich zum Ziel gesetzt, im Rahmen einer Jahrestagung
aktuelle Aspekte pflanzlicher Arzneimittel in der Selbstmedikation, in der Allgemeinpraxis und
auch in der Forschung und Klinik zu präsentieren. Nach einleitenden Worten durch die Präsidenten
beider Gesellschaften (in Vertretung von Prof. Marktl sprach Univ.-Prof. Gabriel für die Gamed,
Univ.-Doz. Pittner für die ÖGPhyt) führte Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Kubelka durch die ersten vier
Vorträge, die sich dem Bereich der Selbstmedikation widmeten.
Frau Univ.-Doz. DDr.
Ulrike Kastner
, Kinderärztin im St. Anna Kinderspital, berichtete über
pflanzliche Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit
. Die Behandlung von zwei Individuen stellt vor allem im ersten Trimenon große Anforderungen an
die Unbedenklichkeit von Arzneimitteln. Da es nur wenige klinische Studien und Fallberichte zu
teratogenen Schädigungen in dieser störanfälligen Phase der Entwicklung von Ungeborenen gibt,
standen vor allem traditionell verwendete Pflanzen im Vordergrund. Der Einsatz von
Anthrachinonderivaten sollte ebenso wie die Verwendung von reinen, unverdünnten ätherischen Ölen
in der Schwangerschaft gemieden werden. Vorsicht ist auch mit Zubereitungen aus Huflattich und
Pestwurz geboten, wenn nicht die Abwesenheit von Pyrrolizidinalkaloiden gewährleistet ist. Mit
alkoholischen Zubereitungen sollten werdende Mütter grundsätzlich vorsichtig umgehen, da bereits
ab regelmäßiger Aufnahme von 15 g Ethanol eine Beeinträchtigung der mentalen kindlichen
Entwicklung statistisch nachgewiesen wurde.
Unruhe oder Einschlafstörungen können gut mit Valerianae radix (Baldrianwurzel) sowie Strobuli
Lupuli (Hopfenzapfen) als Tee oder in fester Arzneiform (Mono- oder Kombinationspräparate)
behandelt werden. Inhalativ können Hopfen- oder Lavendelsäckchen für guten Schlaf sorgen. 1-4
Tropfen Aetheroleum Lavandulae auf ein Stück Würfelzucker aufgetropft und vor dem Schlafengehen
eingenommen, haben ebenfalls sedative Wirkung. Die oft auftretende Übelkeit im ersten Trimenon
kann mit der antiemetischen Wirkung von Ingwer gemindert werden: frischer Ingwer gerieben und
gekaut, als Gewürz zu den Speisen oder Ingwer in verarbeiteter Kapselform kann gewählt werden.
Kümmel (Carvi fructus), Anis (Anisi fructus) und Fenchel (Foeniculi fructus) sind nicht nur
Bestandteile in Milchbildungstees, sondern wirken auch gegen Meteorismen, die vor allem im dritten
Trimenon sehr unangenehm sein können. In der Stillperiode getrunken können die wertvollen
ätherischen Öle über die Muttermilch auch dem Säugling Erleichterung bringen. Essentiell ist aber,
dass diese Tees nicht als Flüssigkeitsersatz dienen, sie sollten nicht öfter als 3 mal täglich
konsumiert werden.
Füll- und Quellstoffe des Leinsamens (Lini semen), Flohsamen (Psyllii semen), Agar-Agar oder der
Saft der Manna-Esche (Fraxinus ornus) können gegen Obstipation eingesetzt werden. Depressiven
Verstimmungen kann sowohl während der Schwangerschaft als auch nach der Geburt mit Hypericum
perforatum (Johanniskraut) begegnet werden. Zur Dammschnittpflege nach der Geburt werden Sitzbäder
mit Quercus cortex (Eichenrinde), Chamomillae flos (Kamillenblüten) oder Hamamelidis folium et
cortex (Zauberstrauchblätter und –rinde) eingesetzt. Einige bewährte Teemischungen und andere
supportive Maßnahmen und Tipps für Mutter und Kind rundeten den Beitrag ab.
Im Anschluss berichtete Frau Univ.-Prof. Dr.
Liselotte Krenn
vom Department für Pharmakognosie der Universität Wien über
pflanzliche Präparate in der Gynäkologie
. Auf die lange Tradition von Arzneipflanzen in der Frauenheilkunde weisen schon allein die Namen
zahlreicher Pflanzen hin: Mutterkraut (Tanaceti parthenii herba) oder Frauenmantel (Alchemillae
herba).
Als Vertreter der modernen Gynäkologie finden heute vor allem die Früchte des Mönchspfeffers oder
Keuschlamms (Vitex agnus-castus) und das Rhizom der Traubensilberkerze (Actaea racemosa, Syn.
Cimicifuga racemosa), welche auch in zugelassenen Arzneimitteln am Markt sind, Beachtung.
Mönchspfeffer wird bei der Behandlung des prämenstruellen Syndroms, bei Zyklusstörungen oder bei
Mastodynie verwendet. Die Traubensilberkerze kommt aus der indianischen Ethnomedizin und wird seit
langer Zeit in der Therapie menopausaler Beschwerden eingesetzt. Klinische Studien belegen die
Wirksamkeit, erste Daten zur positiven Beeinflussung der Cholesterinwerte und des
Knochenstoffwechsels liegen inzwischen auch vor. Erste therapeutische Effekte können nach etwa
zweiwöchiger Einnahme erwartet werden, die Einnahme über mehrere Zyklen (mindestens drei Monate)
ist empfehlenswert. Als positiv hervorgehoben werden muss die Tatsache, dass bisher keine
negativen Wirkungen auf das Endometrium, die Vaginalcytologie oder das Brustgewebe gefunden
wurden. Die in letzter Zeit berichteten Beobachtungen von lebertoxischen Effekten von
Cimicifuga-Präparaten dürften nicht auf A. racemosa zurückzuführen sein, viel mehr sollen hier
chinesische Cimicifuga-Arten der Auslöser gewesen sein.
Die in Nahrungsergänzungsmitteln verarbeiteten Pflanzen Rotklee (Trifolium pratense) und Sojabohne
(Glycine max) haben in unseren Breiten keine traditionelle medizinische Anwendung, ihre positiven
Effekte bei menopausalen Beschwerden, Osteoporose oder cardiovaskulären Erkrankungen können aber
aus epidemiologischen Daten abgeleitet werden.
Aktuelle Pflanzliche "Wundermittel"
standen bei Frau Univ.- Prof. Dr.
Sabine Glasl
, ebenfalls vom Department für Pharmakognosie der Universität Wien, im Mittelpunkt. Nahezu täglich
tauchen neue Produkte auf dem Markt auf, die als "rein pflanzlich" beworben werden und damit
Unbedenklichkeit vorgaukeln. In der Präsentation versuchte Prof. Glasl eine wissenschaftliche
Bewertung von Nutzen und Risiko einiger Dauerbrenner und Newcomer im Sektor der pflanzlichen
Nahrungsergänzungsmittel zu geben.
Hoodia gordonii, ein sukkulentes Gewächs aus der Familie der Seidenpflanzengewächse
(Asclepiadaceae), spielt bei uns zunehmend eine Rolle als Wundermittel zum Abnehmen. Wegen
fehlender Daten zu Inhaltsstoffen, eventuellen Wirkmechanismen und auch wegen fehlender
Qualitätsnormen (z.B. wird in den USA deutlich mehr "Hoodia" verkauft als aus dem Ursprungsland
Südafrika exportiert wird!) rät Glasl, von einer Empfehlung von Hoodia-Präparaten Abstand zu
nehmen. Ein Dauerbrenner ist der Fruchtsaft von Morinda citrifolia, besser bekannt als
"Noni-Juice". Viele der ursprünglichen Behauptungen zu Wirkstoffen und Wirksamkeit sind nach wie
vor nicht nachvollziehbar. Jüngst konnte gezeigt werden, dass Morinda die Angiogenese hemmen kann,
erste Versuche an Tumorpatienten zeigten eine symptomatische Besserung. Trotzdem, besonders auch
unter Berücksichtigung des Verhältnisses Preis - dokumentierter Nutzen, müssen Noni-Präparate
weiter kritisch bewertet werden.
Eine einzige Studie bildet die Grundlage für die Bewerbung von Zimt als Mittel zur Senkung des
Blutzuckerspiegels. Leider sind weder Wirkmechanismus noch die dafür relevanten Inhaltsstoffe
bekannt. Aus Sicherheitsgründen sollte eine Anwendung von Zimt als Antidiabetikum nur in Absprache
mit dem behandelnden Arzt erfolgen. Pflanzliche Mittel zur Potenzsteigerung tauchen immer wieder
auf, besonders gut sollen Zubereitungen aus fernen Ländern wirken (z.B. Maca, Bois Bonde,
Catuaba). Leider kann immer wieder nachgewiesen werden, dass manche "natürlichen Viagras" in nicht
unbedeutender Menge synthetisches Sildenafil enthalten. Dieser ungenügende Sicherheitsaspekt
pflanzlicher Aphrodisiaka lässt daher von der Anwendung abraten.
Sehr interessante Aspekte zum Thema
Misteltherapie
aus der Onkologie kamen von Frau MR Dr. med.
Jutta Hellan
vom AKH Wien. Die Misteltherapie wird von vielen Patienten zusätzlich zur Chemo- oder
Strahlentherapie bevorzugt gewählt. Obwohl seit Jahrhunderten bereits als Heilpflanze eingesetzt
sorgt die Mistel (Viscum album) nach wie vor für Diskussionen.
Neben der unterschiedlichen Zusammensetzung je nach Wirtsbaum und saisonalen Unterschieden werden
die in Österreich zugelassenen Mistelpräparate auch nach unterschiedlichen Verfahren hergestellt.
Mistelauszüge enthalten Substanzen verschiedenster Stoffgruppen, einige Präparate sind auf einen
definierten Gehalt an Mistellektinen standardisiert. Mistelzubereitungen wirken immunmodulierend
und zytotoxisch auf Tumorzellen, sie können sowohl adjuvant zu herkömmlichen Therapieansätzen als
auch im Rahmen der palliativen Therapie eingesetzt werden.
Dr. Hellan präsentierte alle Präparate und erklärte, nach welchen Gesichtspunkten individuell in
der Praxis ausgewählt werden sollte. Als mögliche Applikationsformen wurden die subkutane,
intratumorale, intravesikale und intrapleurale Verabreichung besprochen und einzelne Studien
vorgestellt.
Die vier Vorträge am Samstag Vormittag, geleitet von Prof. Marktl, widmeten sich Aspekten, die in
der Allgemeinpraxis relevant sind. So beleuchtete Frau Prof. Dr. med.
Sigrun Chrubasik
, Lehrbeauftragte an der Universität Freiburg und an der Faculty of Pharmacy in Sydney, das Thema
pflanzliche Schmerzmittel bei Arthrose und Rückenschmerzen
sehr eindrucksvoll. Pflanzliche Entzündungshemmer greifen an verschiedenen Ebenen in das
Entzündungsgeschehen ein und vermindern den Knorpelzerstörungsprozess. Mehrere Studien belegen die
Wirksamkeit der Wurzel der Teufelskralle (Harpagophyti radix), der Weidenrinde (Salicis cortex)
und der Schalen und Kerne der Hagebutte (Rosa canina in der Varietät ‚lito’). Traditionell
angewendet wird das Brennnesselkraut (Urticae herba), welches innerlich und äußerlich angewendet
werden kann. Im Mittelalter war die Methode der Urtikation bei Rheumapatienten üblich, bei der die
betreffenden Körperstellen mit frischen Brennnesseln leicht gepeitscht werden. Die durch die
Nesselpflanze hervorgerufenen Hautreizungen bewirken eine gesteigerte Durchblutung und bringen
Linderung bei rheumatischen Beschwerden.
Auch die schmerzlindernde Wirkung von Gamma-Linolensäure, zum Beispiel im Nachtkerzensamenöl, im
Johannisbeersamenöl oder im Boretschsamenöl enthalten, wurde in Studien nachgewiesen. Der bisher
stärkste pflanzliche Schmerzhemmer ist das Ethanolextrakt aus der Weidenrinde (Salicis cortex).
Bei entzündlichem Rheuma können die pflanzlichen Schmerzmittel nur additiv zum Einsparen von
synthetischen Arzneimitteln angewendet werden, da eine spezifische Rheumatherapie unerlässlich
ist. Pflanzliche Entzündungshemmer haben aber im Gegensatz zu synthetischen Schmerzmitteln
deutlich weniger Nebenwirkungen.
Guter Schlaf ist eine der Voraussetzungen für Wohlbefinden. Was
Arzneipflanzen
leisten können, wenn es zu Ein- und Durchschlafstörungen kommt, präsentierte Univ.- Prof. Dr.
Reinhard Länger von der AGES PharmMed in Wien. Vorteile pflanzlicher Sedativa gegenüber
synthetischen sind unter anderem die Nebenwirkungsarmut, die Unterstützung der natürlichen
Schlafstruktur, das Fehlen von Abhängigkeit und Interaktionen mit Alkohol. Die Suche nach
Wirkstoffen in der Baldrianwurzel ist immer noch im Gang, viel versprechende pharmakologische
Daten zeigen Valerensäure, Lignane und Flavonoide. Die optimale Dosierung sollte täglich 600 mg
Trockenextrakt betragen, es sind in Österreich zahlreiche Präparate zugelassen, die dieses
Kriterium erfüllen. Hopfen- und Melissenextrakte werden gerne mit Baldrian kombiniert. Nach
derzeitigem Wissensstand ist für die sedierende Wirkung der Melisse das ätherische Öl
verantwortlich, beim Hopfen waren Gesamtextrakte wirksamer als einzelne isolierte Komponenten.
Unter den zugelassenen Arzneimitteln sind meist flüssige Darreichungsformen geringer dosiert als
feste. Baldrianfreie Arzneispezialitäten enthalten durchwegs Passionsblumenextrakte. Während
Wirkstoffe und Wirkmechanismus noch nicht geklärt sind, hat sich die Wirksamkeit dieser Extrakte
in klinischen Studien sehr gut zeigen lassen. Wenn eine Teemischung rezeptiert werden soll,
empfahl Länger jene Mischungen, die von der Arbeitsgruppe "Teedrogen" der Österr. Ges. f.
Phytotherapie entwickelt wurden. Alle Rezepturen sind auf der Homepage (
www.phytotherapie.at
) unter dem Punkt "Rezepturen" publiziert.
Herr Mag. Dr.
Harald Fischer
stellte den Wert der
"Preiselbeeren in der Prävention von Harnwegsinfektionen"
vor. Die Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) ist wie ihre Verwandte, die amerikanische Cranberry
(Vaccinium macrocarpon), ein qualifiziertes Naturmittel zur Prävention von rezidivierenden
Harnwegsinfektionen. Preiselbeeren hemmen die Adhärenz von Bakterien (auch wenn diese bereits
Antibiotika-resistent sind. Dadurch können sie leichter mit dem Harn ausgeschwemmt werden. Ein
Wirkungs-beginn ist bei oraler Einnahme bereits nach etwa zwei Stunden festzustellen, der Abbau
der Wirkstoffe erfolgt in etwa 10-12 Stunden. Durch Studien gesichert ist auch die Anwendung beim
Auftreten leichter Symptome wie Bakteriurie, Algurie (Brennen beim Urinieren) und Pollakisurie
(häufiger Harndrang). Der Konsument kann aus einer Vielzahl von Präparaten beispielsweise in Form
von Säften, Mischsäften, Konzentraten, Tabletten, Kapseln oder Granulaten aus Extrakten wählen.
Die Einnahme der Mindestmenge liegt bei 50 ml reinem Saft täglich (mit Wasser verdünnt auf 250 ml)
oder 800 mg Standardextrakt pro Tag. Der Einsatz von Preiselbeeren oder Cranberries führt zu
keiner Schädigung der Darmflora oder Resistenzbildung der Bakterien, Produkte sind auch für
Schwangere und Kinder sowie in zuckerfreier Form auch für Diabetiker geeignet.
Dem Einsatz
pflanzlicher Immunmodulatoren
war der Beitrag von Univ.- Prof. Dr.
Rudolf Bauer
vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Karl-Franzens-Universität in Graz gewidmet.
Immunmodulation beschreibt ein prophylaktisches oder therapeutisches Vorgehen, bei dem
körpereigene Abwehr-mechanismen stimuliert bzw. supprimiert werden können. Die Einsatzbereiche
pflanzlicher Immunmodulatoren erstrecken sich von der Behandlung einfacher viraler Infekte über
die Prophylaxe opportunistischer Infektionen bei Patienten mit temporärer Immunsuppression bis hin
zu adjuvanter Therapie bei bakteriellen Infektionen oder malignen Tumoren. Zielzellen sind im
Wesentlichen die Granulozyten und Makrophagen des unspezifischen Immunsystems.
Bekannteste Vertreter stellen die Echinacea-Arten dar, von denen Echinacea purpurea, Echinacea
angustifolia und Echinacea pallida eingesetzt werden. Ein interessanter Ansatz zur
Wirkungserklärung könnte darin liegen, dass die Alkamide aus Echinacea an Cannabinoid-Rezeptoren
binden und so die Reaktionen im Immunsystem ausgelöst werden.
In pharmakologischen und klinischen Studien wurden die Wurzeln der aus Südafrika stammenden
Pflanze Pelargonium sidoides bei akuten und chronischen Infektionen des Respirationstraktes als
wirkungsvoll belegt. Auch pentazyklische Indolalkaloide aus der Wurzel von Uncaria tomentosa
beeinflussen dosisabhängig die Bildung von Zytokinen.
Die immunmodulierende Wirkung von pflanzlichen Arzneimitteln ist in Einzelfällen mit
Wirkungsstudien belegt. Durch weitere Überprüfungen sollen die teilweise noch fehlenden
Erkenntnisse zum Wirkmechanismus und zur optimalen Dosis gewonnen werden.
Nach der Generalversammlung der Österr. Gesellschaft für Phytotherapie nahm der Präsident der
ÖGPhyt, Univ.-Doz. Dr. Heribert Pittner, die Verleihung des mit 3000.- Euro dotierten
ÖGPhyt-Preises an Frau Mag. pharm.
Birgit Benedek
für ihre analytischen und pharmakologischen Arbeiten am Schafgarbenkraut vor.
Die Gewinnerin stellte in einem kurzen
Vortrag
ihre prämiierten Arbeiten vor. Achillea millefolium stellt ein morphologisch, zytogenetisch und
chemisch polymorphes Aggregat dar. Neben ätherischem Öl (mind. 0,2 %) und Sesquiterpenen enthält
die Pflanze Flavonoide und Phenolcarbonsäuren. Traditionell werden die oberirdischen Teile bei
krampfartigen und entzündlichen Magen-Darm-Beschwerden, als Amarum aromaticum, zur Förderung der
Gallensekretion und zur Wundheilung angewendet. Auch 40 Handelsmuster wurden untersucht und
ausgewertet.
Die vielfältigen Wirkungen der Schafgarbe sind auf das weite Spektrum an Inhaltsstoffen
zurückzuführen, wobei die anti-phlogistische Wirkung den Sesquiterpenen, die spasmolytische
Wirkung den Flavonoiden und die choleretische Wirkung den Dicaffeoylchinasäuren zugeschrieben
werden kann.
Der Vortrag
Phytotherapie und Evidence Based Medicine
von Herrn Dr. med.
Detmar Jobst
, Lehrbeauftragter an den Universitäten Bonn und Düsseldorf, führte die Wichtigkeit von Evidenz
und qualitativer Bewertung wissenschaftlicher Fakten vor. Evidenz umfasst neben einer genauen
Pflanzenbiologie auch die molekulare Struktur vieler Drogenbestandteile, die an Versuchstieren und
Menschen geprüften biochemischen und pharmakologischen Wirkungen sowie Wirksamkeit und
Nebenwirkungen.
Pflanzen als Vielstoffgemische enthalten unterschiedliche Konzentrationen an Inhaltsstoffen, je
nach Herkunft, Erntezeit usw.
Erst über qualitätskontrollierte pharmazeutische Verfahren können sie zu hochwertigen
Arzneimitteln verarbeitet werden.
Wissenschaftliches Benchmarking, die Einhaltung von Levels of Evidence and Recommendation helfen
bei der Orientierung von durchgeführten Studien. Als physikochemische Bestimmungsmethoden wurden
das Hochdruck-Flüssigkeitschromatogramm und die Dünnschichtchromatografie sowie neuere Methoden
wie Fluoreszenz-markierte Gene auf Gen-Chips, die die Wirkung von pflanzlichen Extrakten auf
Arbeitsgene humaner Zellen untersuchen lassen (Genomics und Proteomics), beschrieben. Laut
EU-Richtlinien müssen Arzneimittel mit vollständiger Zulassung den Anforderungen von Wirksamkeit,
Qualität sowie Unbedenklichkeit und Verträglichkeit gerecht werden. Je besser die
wissenschaftliche Datenlage ist, desto höher kann der Empfehlungsgrad in evidenzbasierten
Leitlinien liegen, und gesicherte Informationen können zum Patienten geleitet werden.
Die
Aromatherapie
wurde von Herrn Dr. med.
Wolfgang Steflitsch
, Lungenfacharzt der 2. Inneren Abteilung des Otto Wagner Spitals, Vorsitzender der ÖGwA und
Ärztlicher Leiter des HIV mobil, beleuchtet. Der Einsatz von ätherischen Ölen reicht von
Duftstoffen in Parfümerie, Kosmetik und Riechstoff-Industrie über Wirkstoffe in der Pharmazie,
"Naturwaren-Produkte" bis in die Lebensmittel-Industrie.
Die Gewinnung ätherischer Öle erfolgte früher in aufwendiger Handarbeit mittels Enfleurage. Heute
sind die Wasserdampfdestillation, bei der auch Hydrolate gewonnen werden, und Extraktions-methoden
mit flüssigen unpolaren Lösungsmitteln oder Kohlendioxid die gängigen Gewinnungs-methoden. Die
Prüfmethoden reichen von Gaschromatographie, Massenspektrometrie, Bestimmung von
Enantiomeren-Verhältnissen über physikalische Prüfungen wie die Messung des spezifischen Gewichts
oder des Lichtbrechungsindexes bis hin zu organoleptischen Prüfungen von Duft, Geschmack, Farbe
und Konsistenz.
Im klinischen Bereich können ätherische Öle als Luft-Desinfizientia eingesetzt werden, der
angenehme Duft mildert nebenbei auch Stressfaktoren wie "Krankenhausgeruch" oder Ängstlichkeit bei
den Patienten. Sie wirken sowohl auf der körperlichen als auch auf der seelischen Ebene, und
können inhalativ (über die Riechschleimhaut) und perkutan (über Schweiß- und Talgdrüsen)
aufgenommen werden. Bestandteile können bereits nach 10 Minuten im Blut oder in der Ausatemluft
nachgewiesen werden. Als elektrochemische Signale gelangen die inhalativ aufgenommenen
Informationen über die Riechschleimhaut der Nase bis ins limbische System, welches eine enge
Verbindung zum Hypothalamus, aufweist. Von dort entfaltet sich die Wirkung auf das endokrine
System und das autonome Nervensystem.
Die Wirkungen ätherischer Öle sind vielfältig: beispielsweise beeinflussen ätherische Öle in
niedrigen Konzentrationen durch Einlagerung in die Zellmembran die Permeabilität für Ionen in die
Zellen. In hohen, lokal angewendeten Konzentrationen setzen sie durch unspezifische Effekte die
Nociception deutlich herab. Verschiedene Chemotypen von Pflanzen, Vergleiche, Fallbeispiele und
Rezepturen rundeten diesen Beitrag ab.
Univ.-Prof. Dr.
Ralf Ihl
, Mediziner des Alexianer Krankenhauses in Köln berichtete in seinem Beitrag
"Ginkgo in der Demenzbehandlung"
über pharmakologische und klinische Erfahrungen mit dem Ginkgo – Spezialextrakt EGb 761.Dieses
Extrakt, das in einigen in Österreich zugelassenen Arzneispezialitäten enthalten ist, verfügt über
antioxidative, neuroprotektive Eigenschaften und verbessert die rheologischen Eigenschaften des
Blutes. Einen besonderen Stellenwert in der Präsentation nahmen klinische Studien ein, an denen
Prof. Ihl selbst mitgewirkt hat. Die Studienergebnisse und auch die Auswertung von Metaanalysen
ergaben, dass Ginkgo - Extrakt EGb 761 wirksam ist bei Alzheimer - Krankheit und vaskulären
Demenzen. Die Wirksamkeit ist ähnlich jener von Cholinesterasehemmern. Auch eine Kombination
dieser Therapieansätze erscheint sinnvoll und dürfte zu mehr als nur additiven Effekten führen.
Darüber hinaus dürfte Ginkgo-Extrakt die Nebenwirkungen der Cholinesterasehemmer mindern.
Im letzen Plenarvortrag des Symposium referierte Frau Univ- Prof. Dr.
Karin Kraft
vom Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Universität Rostock über
"Aktuelles zu Hypericum"
. Nach einer Auffrischung des Wissensstandes zu Inhaltsstoffen und möglichen Wirkungserklärungen
standen klinische Studien und deren Interpretation im Vordergrund. Zur Wirksamkeit von
Johanniskrautextrakt bei Patienten mit Depressionen wurden bisher etwa 50 kontrollierte
Therapiestudien und sechs Metaanalysen publiziert. Die Ergebnisse sind eher ernüchternd: Die
mittleren Response-Raten nach der 17-Item-Depressionsskala von Hamilton (HAMD-17) betrugen für die
Hypericum-Extrakte, aber auch für die zum Vergleich eingesetzten chemisch definierten,
synthetischen Antidepressiva zwischen 30 und 70%. Bei den Placebo-Gruppen waren es 20-50%. Diese
Ergebnisse sind auch in den neuesten Studien mit Johanniskrautextrakten, deren Ergebnisse
vorgestellt wurden, bestätigt worden. Allerdings haben in den letzten fünf Jahrzehnten auch die
etwa 2000 kontrollierten Therapiestudien mit chemisch definierten Antidepressiva prinzipiell immer
wieder ähnliche Ergebnisse erzielt.Neben dem klassischen Indikationsgebiet "Depression" zeichnen
sich aber darüber hinaus neue, teilweise viel versprechende Untersuchungen zum Einsatz von
Johanniskrautextrakt bei anderen Indi-kationen, u. a. Wechseljahrsbeschwerden und somatoformen
Störungen ab.
Für die Interaktionen wird in erster Linie Hyperforin verantwortlich gemacht, Extrakte mit weniger
als 1% Hyperforin-Anteil dürften das CYP 450-System nicht stimulieren. Da aber in der Praxis für
den Arzt und Apotheker der Hyperforin-Gehalt in einem Arzneimittel nicht erkennbar ist, muss mit
Inter-aktionen gerechnet und entsprechend reagiert werden.
Am Nachmittag wurden parallel zur Hauptveranstaltung freie Vorträge präsentiert.
Univ.- Doz. Dr.
Harald Kritz
, Leiter des Lipidforums, stellte
Grundzüge der traditionellen thailändischen Medizin
vor. Speziell befasste sich Doz. Kritz in seinen Forschungen auch mit Momordica charantia, der
Bittermelone. Nachdem der leichte Blutzucker- senkende Effekt immer besser wissenschaftlich
abgesichert wird, stellt sich vermehrt die Frage nach Wirkstoffen und Wirkmechanismus. Versuche,
direkte Wirkungen einzelner Substanzen nachzuweisen, ergaben keine stichhaltigen Ergebnisse.
Deshalb richtet sich das Augenmerk der Forscher zunehmend auf eine mögliche Beeinflussung des
Fettstoffwechsels durch Momordica, als Folgeerscheinung ist dann eine Senkung des
Blutzuckerspiegels vorstellbar. Die Bittermelone dürfte sich daher eher zur Kontrolle des
Körpergewichts eignen. Da das Nebenwirkungsrisiko gering zu sein scheint, wurden im Rahmen einer
kleinen Studie an gesunden Probanden die Effekte von Momordica über 8 Wochen Einnahme geprüft. Es
konnten eine Abnahme des visceralen Fettanteils, ein Anstieg der Adiponectin-Menge,
antithrombotische und direkte antiatherosklerotische Wirkungen beobachtet werden, der
Blutzuckerspiegel blieb unbeeinflusst. Derzeit läuft eine Studie über drei Monate an einem
größeren Probandenkollektiv, die Ergebnisse sollen publiziert werden.
Der Einsatz
westlicher Heilpflanzen im Sinne der TCM
wurde vom Arzt für Allgemeinmedizin, Dr. med.
Anton Suntinger
, besprochen. In China hat die Anwendung von Kräutern wie bei uns jahrhundertelange Tradition. Die
Philosophie von Gesundheit und Krankheit weicht aber vom westlich anatomisch-physikalischen
Menschenbild ab. Basis dafür ist die Fünf-Elemente-Lehre, in der Feuer, Erde, Metall, Wasser und
Holz für bestimmte Grundqualitäten stehen. Qi kann annähernd mit Lebenskraft übersetzt werden und
"fließt" über die Energiebahnen (Meridiane) als besondere Energiequalität in unserem Körper.
YIN und YANG als polare Kräfte stehen für gegensätzliche Modalitäten, die miteinander in
Wechselwirkung stehen (YIN: Kälte, YANG: Wärme). Die Symptome des Qi-Mangels umfassen Müdigkeit,
Antriebslosigkeit, Depressionen, Konzentrationsschwäche, Blähungen und Völlegefühl, weiche Stühle,
Ödemneigung, Schweregefühl in den Extremitäten, Gewichtszunahme, Infektanfälligkeit und Heißhunger
nach Süßem. Kommen noch Kältegefühl und kalte Extremitäten dazu, spricht man von YANG-Mangel.
In der chinesischen Medizin werden Substanzen beschrieben, die eine wärmende Wirkung (das YANG
stärkende) oder eine kühlende (das YIN stärkende) Wirkung in unserem Körper haben. Andere
Substanzen wiederum stärken das Qi des Körpers oder wirken direkt auf einzelne Funktionskreise der
fünf Elemente, indem sie diese fördern oder schwächen, wenn zu viel von einem Element vorhanden
ist. Aber nicht nur chinesische Heilpflanzen eignen sich zur Wiederherstellung und
Aufrechterhaltung des Energieflusses im Körper, auch mit heimischen Pflanzen können ein Mangel
oder ein Zuviel an Energie oder Wärme/Kälte über die Funktionskreise der Organe und Gewebe
reguliert werden. So wirkt bei Qi- und YANG-Schwäche Engelwurz (Angelicae radix) wärmend auf alle
Etagen des Dreifach-Erwärmers und kann bei Milz-Qi-Mangel eingesetzt werden.
Rosmarin in Form von Rosmarini folium oder R. aetheroleum wirkt allgemein tonisierend und speziell
wärmend auf den mittleren und unteren Dreifach-Erwärmer. Wacholderbeeren (Juniperi fructus)
erwärmt hingegen den unteren und mittleren Dreifach-Erwärmer. Der Wurzelstock des Ingwers
(Zingiberis rhizoma) kann bei Kälte im mittleren Dreifach-Erwärmer eingesetzt werden. Als
Heilkräuter zur Behandlung von reiner Qi-Schwäche kommen die Bitterstoffe von Gentiana lutea
(Enzian) und Centaurium erythraea (Tausendgüldenkraut) in Frage, da sie allgemein tonisierend und
kühlend auf Magen- und Leberhitze wirken. Auch Artemisia absinthium (Wermut) wirkt allgemein
tonisierend und vermag Stagnationen von Qi und Blut zu lösen. Dr. Suntinger, der in seiner Praxis
stark mit dem traditionellen medizinischen Denken im Kärtner Alpenraum konfrontiert ist, konnte
große Ähnlichkeiten zwischen traditioneller Sichtweise in den Alpentälern und dem traditionellen
chinesischen Ansatz beobachten.
Das Aromatogramm und gezielte Behandlung urogenitaler Infektionen mit ätherischen Ölen
war das Thema von Frau Dr. med.
Gerda Dorfinger
aus Wien. Ätherische Öle lassen sich gut bei der Behandlung von Infektionen einsetzen, von einer
ungezielten, rein empirischen Therapie sollte aber Abstand genommen werden. Mit Hilfe eines
Aromatogramms kann die Wirksamkeit der einzelnen ätherischen Öle gegen bestimmte Keime im Labor
getestet werden. So kann ein gezielter, individueller Einsatz mit ausgewählten ätherischen Ölen
erfolgen.
In Ihrer Studie untersuchte sie die Wirksamkeit verschiedener ätherischer Öle auf unterschiedliche
Spezies von Bakterien und Pilzen im Bereich der Gynäkologie. Erreger aus Harn, Abstrichen und
Sekreten wurden kultiviert und dafür herangezogen. 11 verschiedene Öle wurden getestet und nach
einer Bebrütung der Keime in ihrer Wirksamkeit beurteilt. Die antibiotischen Effekte einzelner Öle
sind sehr unterschiedlich, gelegentlich können auch Unterschiede in der Sensitivität verschiedener
Stämme der gleichen Keimart festgestellt werden. Da ätherische Öle einen anderen
Wirkungsmechanismus als Antibiotika aufweisen, zeigen sie auch bei multiresistenten Keimen
Wirkungen. Durch die Erläuterung von verschiedenen Fällen von Patienten, die nach erfolglosen
Antibiotikabehandlungen mit ätherischen Ölen erfolgreich behandelt wurden, hatte dieser Beitrag
ebenfalls starken Praxis-Bezug.
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